top of page
Philippe_edited.jpg

Die Situation von Kranken ist nicht so anders als die der anderen: wir
wollen alle Freude haben und sind alle sterblich
.“

Autorin: Monia Ben Larbi

 

Philippe hat für das Interview seine Dosis etwas erhöht. Das macht er nur noch sehr selten, vorrangig zum Tango tanzen, erzählt er, während Stefan die Kameras aufbaut. Lustigerweise kennen sich die beiden Männer: Stefan war in den Anfangszeiten Stammkunde in Philippes ehemaliger Weinbar in der Großstadt. Die Diagnose Parkinson und die damit einhergehende Unsicherheit hat jedoch die beiden Geschäftspartner entzweit. Philippe beschreibt, dass es ihnen nicht gut gelungen ist, darüber gut zu kommunizieren. Sie haben einander mit ihren Ängsten alleine gelassen. Doch diese Trennung führte auch zu einem Neubeginn, einem kleinen Laden auf dem Dorf, nur wenige Minuten von Philippes Haus entfernt. Der Laden passt sich an das an, was Philippe leisten kann – mit wenigen Stunden täglich und fröhlichen Gesprächen über Krankheit und Tod an der Kasse.

Ich erkenne vieles wieder, was Philippe beschreibt: der unbedingte Wille, zu arbeiten, sowohl aus finanziellen als aus psychischen Gründen; die Verantwortungsübernahme dafür, dass Kund:innen nicht von unserer Krankheit überfordert sind; die Orientierungslosigkeit nach der Diagnose und die langsame Integration der Krankheit ins Leben; die Trauer, dass manchmal die Brücken zu gesunden Kolleg:innen so schwierig sind; und diese seltsame Dankbarkeit für die Krankheit, die so vieles ins richtige Licht rückt.

Die Trennungsgeschichte mit seinem Geschäftspartner geht mir nahe, denn
auch ich weiß, dass meine Krankheit nicht nur mich betrifft und schwierig für alle Beziehungen ist, privat wie beruflich. Es tut mir immer wieder leid, dass in Bezug auf Krankheit so viel Tabu, Unsicherheit und Sprachlosigkeit herrschen, dass wir nur selten lösungsorientiert, liebevoll und kreativ reagieren können. Insgesamt genieße ich es einfach nur, diesem Mann zuzuhören, der sich immer einen kleinen Moment Zeit der Reflexion schenkt, bevor er meine Fragen beantwortet und dessen tiefer Humor so fein unter der Oberfläche auf Kontakt wartet.

Als Stefan wieder abbaut, frage ich Philippe, ob er Heilung noch wählen würde, wenn sie zur Verfügung stünde, so integriert wirkt seine Krankheit. „
Natürlich, ich bin doch nicht verrückt!"

bottom of page