„Es ist schwer für andere, Rücksicht zu nehmen, weil ich von außen gesund aussehe.“
Autorin: Monia Ben Larbi
Sina lebt mit ihrer Erkrankung seit ihrer frühen Kindheit und hat bereits in der Schule die Erfahrung gemacht, dass sie nur bedingt auf Verständnis und Rücksichtnahme zählen kann. Sie kann das verstehen, schließlich ist ihre Krankheit die meiste Zeit über unsichtbar. Mittlerweile hat ihre Krankheit einen Namen: der kleine Maulwurf. Diese Namensgebung dient ihr und ihrem Umfeld nicht nur der besseren Kommunikation, sondern nimmt der Krankheit ein bisschen Schwere.
Sina ist es ganz wichtig, dass ihre Krankheit zwar Teil von ihr ist, der kleine Maulwurf aber nicht ihre Identität darstellt. Auf einer Schmerzskala von 1bis 10 ordnet Sina ihre Schmerzen, alles bis 4 als normalen Alltag ein, 5 bis 7 sind bereits anstrengende Tage, an denen sie die Reize reduzieren muss und alles ab 8 bedeutet, dass sie das Haus nicht mehr verlassen kann. Als digitale Nomadin kann sie mittlerweile großen Einfluss auf ihr Umfeld nehmen und hat so für sich eine Lösung gefunden, dem für sie nicht idealen Büroleben zu entkommen – obwohl Lösungen für ein besseres Arbeitsumfeld oft einfach wären. Sie spricht von kleinen Stretching-Pausen und Noise-Cancelling-Kopfhörern, keinen großen Investitionen. Ich sehe diese lebendige, strahlende Frau und ertappe mich ganz oft dabei, dass ich nicke und laut atme. Genau diese Ausstrahlung habe ich auch oft.
Sina und ich sehen aus wie die gesündesten Menschen der Welt. Wir entsprechen nicht dem Bild, welches Menschen oft mit kranken Menschen verbinden. Wir sprühen vor Lebendigkeit und funktionieren als Teil der Gesellschaft. Ich weiß, wie schwer es für andere ist, unsere Einschränkungen im Blick zu behalten, da wir so gar nicht dem Klischee entsprechen. Und auf der anderen Seite ist es für uns ebenso schwer, verständnisvoll zu bleiben.Für uns und andere Menschen mit nicht sichtbaren Krankheiten, ist es Alltag, uns ständig und immer wieder neu zu erklären. Das zieht Kraft, frustriert und das Umfeld vergisst es doch immer wieder. Sina beschreibt, wie sie deshalb über ihre Grenzen geht und auch die Phasen der Hoffnungslosigkeit. Sie spricht mir aus der Seele, denn auch wenn die Krankheit im Großen und Ganzen sehr gut ins Leben integriert ist, ist es eine tägliche Herausforderung, damit zu leben. Sina spricht etwas Wichtiges an, über das ich bisher noch nicht nachgedacht habe. Ungesunde Pausen sind im Arbeitsleben oft gut akzeptiert: Rauchen oder Kaffee trinken, kein Problem. Doch wenn jemand für 5 Minuten die Yogamatte ausrollt, geht das dann auch klar? Ich nehme mir vor, damit in Zukunft noch mutiger zu sein und mich von den verwunderten Blicken, wenn ich auf dem Boden liege, nicht mehr verunsichern, sondern amüsieren zu lassen. Denn diese kleinen Pausen sind wertvoll, ganz besonders für kranke Menschen.